Kommentar zum Abstammungsrecht


Die Reise zur Gründung einer kleinen Regenbogenfamilie brachte an vielen Stellen zutage, wo nicht-heteronormative Modelle weiterhin Diskriminierung erfahren. Kurz vor der Geburt meines Sohnes wollte ich daher die folgenden Zeilen auf einer Kundgebung sagen – diese wurde dann leider abgesagt. Im Folgenden meine Erfahrungen mit dem deutschen Abstammungsrecht.

Ich werde in wenigen Tagen Vater.
Mein Sohn wird bei seinen beiden Müttern aufwachsen.

Sie sind verheiratet seit es erlaubt ist – und auch schon seit vielen Jahren davor ein liebendes Paar. Solidarisch, weltoffen, empathisch, undsie hatten schon lange den Wunsch nach einem Kind.

Wir haben uns geeinigt, zusammen diesen Weg zu gehen. Die beiden haben vieles auf sich genommen – es fällt schwer, sich ein besseres Umfeld für ein Kind auszumalen. Zu sehen, wie die beiden sich freuen und auch vorbereiten lässt jedesmal mein Herz aufgehen.

In diesem Sinne ist ihr Ansinnen wohl gleich zu dem von Millionen anderer junger Familien, doch in einem Punkt unterscheiden sie sich:

Mein Sohn wird in rechtlich unklare Verhältnisse geboren, die seine Sicherheit als auch die seiner Mütter in Frage stellen.

Vater eines Kindes ist der Mann
(1) der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
(2) der die Vaterschaft anerkannt hat

Nach § 1592 BGB

Es sind also nur männliche Zweit-Elternteile vor dem Gesetz anerkannt.

Für die, die sich jetzt denken “is doch logisch”… das Gesetz sagt nichts über Biologie aus – sondern es geht um Verantwortung und Sicherheit für das Kind. Das Kindeswohl steht laut Rechtssprechung im Mittelpunkt. Und so sollte es ja auch sein.

Und es kann mir niemand erzählen, dass Kindeswohl nur mit einem männlichen Elternteil möglich sei.

Man muss sich die Perversität hier mal vorstellen: Mutter Zwei muss sich um die Adoption des EIGENEN KINDES bewerben. Das ist ein teurer und langwieriger Prozess; degradierend und auch für das Kind verunsichernd. Keine Rechtssicherheit für das Kind, auch gerade wenn während der Prozesszeit der Mutter Eins etwas zustoßen sollte

Was passiert wenn die Adoption nicht zugelassen würde?

Wo wir stehen

Eine krude Ungleichbehandlung – OLG Celle und auch Berliner Kammergericht befanden im März 2021 die aktuelle Praxis als Verfassungswidrig. Der Fall liegt aktuell beim Verfassungsgericht in Karlsruhe.

Die Expertenkommission Abstammungsrecht empfahl Mitte 2017, also vor der letzten Bundestagswahl, eine dringende Reform der aktuellen Situation. Der aktuelle Koalitionsvertrag [Anm.: Merkel IV, 17-21] enthält jedoch keine Zusagen hierzu.

Unter Justizministerin Barley gab es einen Diskussionsentwurf Reform des Abstammungsrechts (März 2019). Seit Barley jedoch Vizepräsidentin des Europaparlaments wurde, wird der Entwurf konsequent durch die Nachfolgerin Frau Lambrecht ignoriert.

Das Justizministerium gelobt Änderung, aber verschärft Regularien noch: Adoptionshilfe-Gesetz (nur durch Bundesrat verhindert).

Auf Anfrage schreibt Lambrecht (SPD), nachdem sie jahrelang untätig war:

[…] wird hier im Haus […] die Arbeit an einer grundlegenden Reform des Abstammungsrechts fortgesetzt werden, damit […] in der nächsten Legislaturperiode [ab Herbst 2021 Anm.] ein Entwurf dazu vorgelegt werden kann.

Entschlussanträge sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zur Verbesserung der Situation von LGBTI* Familien wurden durch Parteien der Regierungskoalition konsequent abgelehnt. Wieder ging eine Legislaturperiode ohne Fortschritt ins Land.

Was wir brauchen

Eine dringende Erweiterung des Elternbegriffes im Abstammungsrecht, damit auch nicht-heteronormative Partner*innen mit Verantwortung für ihre Familie einstehen dürfen.

Die rechtliche Absicherung der Vielfalt an gelebten Familienformen wie Zwei-Mütter-Familien, Zwei-Väter-Familien, Mehrelternfamilien oder Familien mit trans- und intergeschlechtlichen Eltern

Ein Ende der Benachteiligung von Kindern aus Regenbogenfamilien, die bis zur vollzogenen Stiefkindadoption nur einen rechtlichen Elternteil haben

Welche Konstellation könnte besser für ein Kind sein als die, wo sich ein Paar bewusst und geplant für Nachwuchs entscheidet und dafür sogar komplizierte und auch teure Verfahren auf sich nimmt?

Schlusswort

Als am 30. Juni 2017 zum Ende des Kabinetts Merkel III endlich die Ehe für Alle beschlossen wurde (wozu unsere Kanzlerin übrigens mit “nein” abstimmte, wohl wegen eines Bauchgefühls), schrieb die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, für die Schweriner Volkszeitung:

“Die Ehe ist die Gemeinschaft von Mann und Frau, aus der Kinder geboren werden und die Zukunft unserer Gesellschaft gesichert wird. Bei der Ehe geht es insofern nicht nur um das gegenseitige Einstehen füreinander, [sie] ist die Keimzelle unserer Gesellschaft und die Grundlage unseres Staates. […] Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.”

Gerda Hasselfeldt (CSU), 30. Juni 2017

Für diese Person ist also die sichere Umgebung zum Aufwachsen von Kindern der zentrale Aspekt von Ehe und Familie.

Und dennoch verhindert ihre Junta seit Jahrzehnten konsequent jede sinnvolle Gleichstellung, die uns überhaupt erst ermöglichen würde, so zu leben wie sie es von uns fordert. Es ist derselbe bigotte und perfide Unsinn wie schon damals zur Ehe und davor überhaupt zur Legalisierung:

Queere Menschen für ihre Andersartigkeit zu bestrafen, und gleichzeitig jede Möglichkeit der Integration zu verwehren.

Homophobie auf dem Rücken von Kindern. Das sind die Werte unserer regierenden Parteien. So wie Frau Hasselfeldt im selben Artikel zum Schluss eben schrieb:

“Aber Ungleiches ist nun einmal nicht gleich. Die Entscheidung von zwei Menschen, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft einzugehen, verdient Anerkennung und eine rechtliche Absicherung. […] Sie ist nicht weniger und nicht mehr wert als die Ehe. Sie ist einfach nicht identisch.”

Gerda Hasselfeldt (CSU), 30. Juni 2017
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